Warten, warten und noch mehr warten: Anerkennungskommission verzögert Verfahren

Betroffene sexualisierter Gewalt in der Landeskirche Hannovers können bei der sogenannten Fachstelle einen Antrag auf eine Anerkennungszahlung stellen. Dieser wird weitergeleitet zur Anerkennungskommission der evangelischen Kirchen in Niedersachsen und Bremen, welche darüber entscheidet, ob der Antrag anerkannt wird – und welche Geldsumme die betroffene Person erhält.

Was nun, wenn man als betroffene Person in der Vergangenheit bereits einen Antrag gestellt hat, der auch positiv beschieden wurde, nun aber neue Erkenntnisse vorliegen?

Möglicherweise hat sich gezeigt, dass die Schädigung durch die sexualisierte Gewalt doch nachhaltiger ist, als zunächst erhofft. Oder es werden noch neue Zusammenhänge oder sogar auch weitere Straftaten bekannt. Das wäre z.B. möglich, wenn man herausfindet, dass Bildmaterial erstellt und verbreitet wurde oder wenn geschehene Taten erst im Nachhinein benannt werden können. Ebenso ist es möglich, dass klar wird, dass eine Summe, die in der Vergangenheit ausgezahlt wurde, nach heutigen Standards als zu niedrig bewertet wird.

Man sollte davon ausgehen, dass die Anerkennungskommission an dieser Stelle selbstverständlich bereit ist, den Antrag erneut zu überprüfen und bei einer Änderung des Sachverhalts entsprechend zu reagieren. Das wäre verantwortungsbewusst und betroffenengerecht – zwei Prinzipien, die in der Präambel der Ordnung der Anerkennungskommission benannt werden.

Wie sieht das in der Realität aus?

Ein Betroffener stelle am 02.08.2024 einen erneuten Antrag; am 09.08.2024 bestätigte das Landeskirchenamt den Eingang des Antrages und teilte mit, dass ab Ende Oktober mit einer Entscheidung zu rechnen wäre.

Die Grundlage der Arbeit der Anerkennungskommission ist in der Ordnung der Anerkennungskommission der evangelischen Kirchen in
Niedersachsen und Bremen vom 01.05.20221. Darin ist aufgeführt, nach welchen Kriterien Zahlungen an Betroffene erfolgen sollen. Die Initiative steht diesen Regeln zwar kritisch gegenüber; aber immerhin gibt es Regeln.

Genau diese Regeln will die Anerkennungskommission nun missachten. Laut dem Vorsitzenden der Anerkennungskommission solle über erneute Anträge vorerst nicht mehr entschieden werden. Statt dessen wolle man so lange warten, bis die EKD bundeseinheitliche Regeln getroffen hat.2

Für Betroffene bedeutet das, dass eine Regelung, die gerade erst seit zwei Jahren in Kraft ist, nicht mehr gelten soll. Ohne dass die Konföderation einen entsprechenden Beschluss gefasst hat, solle eine zur Zeit bestehende Regelung einfach ignoriert werden. Warum?

Erhofft sich die Anerkennungskommission, dass die kommenden einheitlichen Regelungen der EKD geringere Anerkennungszahlungen vorsehen? Verzögert die Kommission möglicherweise absichtlich den erneuten Anerkennungsprozess? Oder gibt es andere Gründe für diese Verzögerung, für das Ignorieren bestehender Regelungen?

Eines ist klar: Betroffene haben wieder einmal das Nachsehen. Sie können sich nicht auf eine schnelle, sachgemäße Bearbeitung verlassen – im Gegenteil, wieder werden sie auf einen ominösen Zeitpunkt „nach der Synode“ vertröstet.

So sehen Betroffenenorientierung und Verantwortungsübernahme im Jahr 2024 aus. Hinter den Verwaltungsakten verschwinden die Betroffenen, ihre Geschichten und legitimen Bedürfnisse nach Anerkennung.

Update: Hanspeter Teetzmann, Vorsitzender der Anerkennungskommission teilte am 11.09.2024 telefonisch mit, dass mit den neuen EKD-Regeln künftig an alle Betroffenen ein Sockelbetrag von 15.000 € gezahlt werde. Betroffene, die bisher einen geringeren Betrag erhalten hätten, würde eine entsprechende Nachzahlung erhalten. Es wäre sichergestellt, dass mit den neuen EKD-Regeln eine Schlechterstellung der Betroffenen ausgeschlossen ist.3

  1. vgl. Ordnung der Anerkennungskommission der evangelischen Kirchen in
    Niedersachsen und Bremen
    vom 1. Mai 2022
     (externer Link) ↩︎
  2. vgl. Hanspeter Teetzmann, Mail vom
    09.09.2024, 12:49 ↩︎
  3. vgl. Hanspeter Teetzmann, Telefongespräch, 11.09.2024 ↩︎
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