Meisterhafte Vertuschung beenden!

An Landesbischof Ralf Meister
An die Landessynode der Landeskirche Hannoversche

Vorsitzender des Landessynodalausschusses Jörn Surborg
Präsident der Landessynode Dr. Matthias Kannengießer

Den Regionalbischöf*innen Dr. Petra Bahr, Dr. Hans-Christian Brandy, Marianne Gorka, Dr. Adelheid Ruck-Schröder, Sabine Schiermeyer, Friedrich Selter

Dem Vizepräsidenten Dr. Ralph Charbonnier und Herrn Dr. Rainer Mainusch für das Kollegiumdes Landeskirchenamtes

Offener Brief:

Sexualisierte Gewalt, Vertuschung und verschleppte Aufarbeitung in der Landeskirche Hannovers:

Betroffene fordern den Rücktritt von Landesbischof Meister

Wir haben als Kinder und Jugendliche sexualisierte Gewalt in Kirchengemeinden der Landeskirche Hannovers erlebt und uns deswegen zu verschiedenen Zeitpunkten in unserem Erwachsenenleben an die Kirche gewandt. Wir haben unser Schweigen gebrochen, weil wir wollten, dass endlich bekannt wird, was wir und viele andere in verschiedenen
Kirchengemeinden erleben mussten – durch Täter, die zur Landeskirche gehörten und oft genug von ihr geschützt wurden.

Es hat uns viel Mut gekostet, uns der Kirche anzuvertrauen. Leider sind wir dabei im Wesentlichen immer wieder enttäuscht worden. Unseren Hinweisen wurde auch seit 2010 nicht oder nur mit wesentlicher zeitlicher Verzögerung nachgegangen. Kirchengemeinden wurden nicht informiert. Und wir wurden leider immer wieder unprofessionell und unempathisch von Seiten der Landeskirche behandelt.

Dass diese Erfahrungen System haben und kein Zufall sind, zeigen sowohl die ForuM-Studie (“Gemeindefall West”)1 als auch die Studie zu den Vorfällen sexualisierter Gewalt in Oesede2. Die Betroffene Lisa Meyer hat deswegen auch den Rücktritt von Landesbischof Meister gefordert.

Landesbischof Meister hat sich zur Veröffentlichung der Studie zu Oesede betreten gezeigt. Allerdings halten wir Betroffene sein Verhalten für unauthentisch. Er hätte zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt handeln können. Spätestens im Juli 2018 wurde er durch Betroffene auf die
Versäumnisse der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt aufmerksam gemacht. Seine Antwort kam erst nach Monaten und durch sein Sekretariat: Ein Hinweis, der Landesbischof habe „durchschnittlich 2000 Termine im Jahr zu absolvieren“3 – das Engagement für Betroffene könne nicht dazu gehören.

Ganz eindeutig hatte Landesbischof Meister also viele andere Prioritäten.

Auf der Landessynode 2021 hat Herr Meister eine Entschuldigung an die Menschen ausgesprochen, die sexualisierte Gewalt in der Kirche erlitten haben. Unseres Wissens nach waren zu dem Termin keine Betroffenen anwesend. So konnten Betroffene die “Entschuldigung” auch nicht kommentieren, einordnen, ihre Bedürfnisse äußern. Darüber hinaus sind wir als Betroffene auch nicht kontaktiert worden. Wir meinen: Eine ernst gemeinte Entschuldigung wäre uns schriftlich mit Unterschrift von Landesbischof Meister zugestellt worden. Wir wären gefragt worden, was wir brauchen und was unsere Empfehlungen zur Aufarbeitung und zur Prävention sind.

All das ist nicht passiert.

Seit 2021 ist die Fachstelle neu aufgestellt. Wir Betroffenen machen weiterhin sehr negative Erfahrungen mit der Fachstelle:

● Mails werden nicht oder nur schleppend bearbeitet.
● Wir haben ständig wechselnde Ansprechpartner*innen in einem persönlich sehr sensiblen Bereich.
● Namen von Betroffenen werden in der Bürokratie “vergessen”, es gibt kein Interesse, sie neu zu bearbeiten. (D.h., es haben sich Betroffene gemeldet, aber sie wurden nicht hinreichend dokumentiert, z.B. Fall Wolfsburg-Detmerode/Rosengarten, so dass sie nicht “gezählt” wurden).

● Unsere Daten werden teilweise ohne unsere Zustimmung weitergegeben – darunter so
intime Angelegenheiten wie Anträge auf Anerkennung des Leides.
● Die Fachstelle verzögert Prozesse wie z.B. die Meldung bei der Unfallversicherung.
● Betroffenen wird immer noch nicht geglaubt, wenn die Täter noch im Dienst sind.
● Bekannte Täter, bei denen sich teilweise mehrere Betroffene gemeldet haben, bleiben weiterhin im Dienst.

Dies sind nur einige Beispiele. Es zeigt sich, dass die Landeskirche Hannovers völlig versagt, was die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt betrifft. Landesbischof Meister entzieht sich hier seiner Verantwortung, die er als höchster Geistlicher dieser Kirche tragen sollte. Somit ist er instrumental in der mangelnden Aufarbeitung sexualisierter Gewalt.

Als Betroffene von sexualisierter Gewalt in Kindheit und Jugend unterstützen wir die Forderung von Lisa Meyer und sagen:

Landesbischof Meister hat die Bedeutung des Themas sexualisierte Gewalt nicht erkannt. So ein Versagen gefährdet Betroffene, die in der Vergangenheit sexualisierte Gewalt in der Kirche erleben mussten. Es gefährdet auch Kinder und Jugendliche, die heute kirchliche Angebote wahrnehmen, weil Strukturen von Gewalt nicht erkannt und nicht aufgeklärt werden. Es ist Zeit, dass Landesbischof Meister die Konsequenzen zieht.

Die einzige verantwortungsvolle Option ist der Rücktritt von Landesbischof Meister.

Für die Initiative “Sexualisierte Gewalt in der Landeskirche Hannovers: Meisterhafte Vertuschung beenden!”

Dörte Münch
Horst E.
Kerstin Krebs
Katharina Kracht

  1. Der “Gemeindefall West” im Teilprojekt A und B der Forumstudie bezieht sich auf die Kirchengemeinden Rosengarten (ehemals Nenndorf im Kirchenkreis Hittfeld) und die Stephanusgemeinde in Wolfsburg Detmerode (KK Wolfsburg Wittingen) (Beide Hannoversche Landeskirche/Sprengel Lüneburg). https://www.forum-studie.de/ (externer Link) ↩︎
  2. vgl. https://www.landeskirche-hannovers.de/presse/nachrichten/2024/02/27-Missbrauchsfall-in-der-Kirchenge%20meinde-Oesede-Kommission-sieht-schwere-Versaeumnisse ↩︎
  3. E-Mail der persönlichen Referentin des Landesbischofs, Silvia Mustert, vom 28.9.2018 ↩︎
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