Strafbarkeitsbewertung durch die Kirche? Neue Regeln für sogenannte Anerkennungszahlungen geplant.

Bisher zahlen die Landeskirchen an Betroffene sexualisierter Gewalt nach eigenen Regeln sogenannte Anerkennungsleistungen. Die Landeskirche Hannovers zahlt aktuell zwischen 5.000 € und 50.000 €.1 Der Initiative liegen Unterlagen vor aus denen hervorgeht, dass in der Vergangenheit auch nur 2.500 € gezahlt wurde.

Angeblich wird sich dabei an Schmerzensgeldzahlungen staatlicher Gerichte orientiert die in vergleichbaren Fällen zuerkannt wurden.2 Auf welche Urteile sich berufen wird oder wie eine Vergleichbarkeit hergestellt wird ist nicht öffentlich bekannt.

Künftig soll das geändert werden. In der ganzen EKD sollen die Zahlungen aus zwei Teilen bestehen. Das Beteiligungsforum hat angegeben, dass die Gremien in der EKD sich darauf geeinigt hätten. Der eine Teil soll aus einem sogenannten pauschalen Sockelbetrag bestehen. Der zweite Teil soll aus einem Individuellen Betrag bestehen. Betroffene sexualisierter Gewalt der Kirche sollen den Sockelbetrag jedoch nur dann kommen, wenn die erfahrene sexualisierte Gewalt strafbar gewesen ist. Für vergleichbare Entscheidungen soll ein Katalog erstellt werden.3

In vielen Fällen wurden die Täter sexualisierter Gewalt nicht strafrechtlich belangt worden. Insbesondere wenn Taten lange zurück liegen sind diese häufig schon verjährt oder es ist für Betroffene nicht mehr möglich die sexualisierte Gewalt an ihnen nachzuweisen. Betroffene sind häufig erst nach einer Langen Zeit dazu in der Lage über die sexualisierte Gewalt die sie erfahren haben dazu in der Lage darüber zu sprechen. Der Grund dafür ist häufig, dass sich Betroffene einfach früher nicht getraut haben darüber zu sprechen oder dass sie früher nicht erkennen und formulieren konnten, dass das was ihnen widerfahren ist, sexualisierte Gewalt war.

In solchen Fällen ist eine Verurteilung des Täter dann nicht mehr möglich; die Feststellung, ob eine erfahrene sexualisierte Gewalt strafbar war, kann in dann nicht mehr durch ein Strafgericht festgestellt werden.

Wie die Kirche künftig feststellen will, ob eine Tat strafbar war wenn es keine Verurteilung eines Täters gab, ist nicht bekannt.

Dabei ist die Frage, ob eine erfahrene sexualisierte Gewalt strafbar war, für die Frage welches Leid Betroffene erfahren haben, nicht relevant. Relevanter ist, welche Art von Leid eine betroffene Person über welchen Zeitraum und in welchem Alter erfahren hat. Weiter ist die Frage relevant, ob eine betroffene Person davon einen Schaden getragen hat.

Anstatt sich also an dem tatsächlichen Leid, dass die Betroffenen erlitten haben zu orientieren, wird die Kirche künftig möglicherweise versuchen sich Rechtssprechungskompetenz anzumaßen und an den Bedürfnissen von Betroffenen vorbei zu entscheiden.

  1. vgl. Ordnung der Anerkennungskommission der evangelischen Kirchen in Niedersachsen und Bremen vom 1. Mai 2022 (externer Link), Landeskirche Hannovers ↩︎
  2. vgl. Ordnung der Anerkennungskommission der evangelischen Kirchen in Niedersachsen und Bremen vom 1. Mai 2022 (externer Link), Landeskirche Hannovers ↩︎
  3. vgl. Evangelische Kirche einigt sich auf Entwurf zu Entschädigung „In langem Ringen und Abwägen“ (externer Link), Domradio.de 21.09.2024 ↩︎
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