Safeguard-Gottesdienste – ist es dass, was Betroffene am dringendsten brauchen?

Ein Kirchenmusiker aus Hamburg ist der Meinung, dass finanzielle Wiedergutmachungsleistungen für Betroffene sexualisieter Gewalt nicht angemessen sind. Für angemessen hält er Gottesdienste für Betroffene.1

Ein weiterer Befürworter solcher sogenannten Safeguard-Gottesdienste ist der Ralf Meister, Landesbischof der Landeskirche Hannovers. Er hält „Sonntage für Betroffene“ wo sich durch Lieder, Texte und Gebete mit dem Thema der sexualisierten Gewalt auseinandergesetzt wird für sinnvoll.2

Für manche Betroffene können diese Vorschläge natürlich absolut legitime Bedürfnisse sein. Im Gesamtkontext sollten solche Vorschläge jedoch auf keinen Fall überbewertet werden; insbesondere, wenn die Bedürfnisse von allen Betroffenen im Mittelpunkt stehen sollen.

Für gläubige Betroffene die gerne in die Kirche gehen, ist es sicherlich wichtig, dass bei der Gottesdienstgestaltung und im Gemeindeleben darauf geachtet wird, eine gewaltfreie Atmosphäre zu schaffen. Von einer gewaltfreien Atmosphäre profitieren jedoch alle Menschen; daher sollte eine gewaltfreie Umgebung in allen Bereichen der Gesellschaft selbstverständlich sein – auch in der Kirche.

Schön, dass man in der EKD darüber nun nachdenkt. Doch gibt es nicht andere Dinge, die für Betroffene von sexualisierter Gewalt aktuell dringlicher sind? Aufarbeitung? Entschädigung? Entschuldigung? Übernahme von Verantwortung?

Menschen, die in Deutschland zu der EKD oder zu der katholischen Kirche gehören, gehören einer Minderheit an. Die Mehrheit der in Deutschland lebenden Menschen ist weder Mitglied in der EKD noch in der katholischen Kirche.

Betroffene kirchlicher sexualisierter Gewalt sind auch häufig nicht Mitglied in einer Kirche. Insbesondere Menschen, die in Heimen missbraucht wurden, wurden vollkommen unabhängig von ihrem Glauben in diesen untergebracht.

Die Kirche sollte daher bedenken, dass Betroffene genauso häufig keinen nicht Mitglied in einer Kirche sind wie alle anderen Menschen auch. Wenn man also den Bedürfnissen von Betroffenen begegnen will, dann sind Gottesdienste nicht unbedingt etwas um ein Mehrheitsbedürfnis abdecken zu können.

Weiter muss beachtet werden, dass selbst unter den Kirchenmitgliedern nur ein kleiner Bruchteil überhaupt Gottesdienste besucht.

Gut sind Safeguard-Gottesdienste in jedem Fall um vom eigentlichen Thema abzulenken.

  1. vgl. Gibt es bald einen Sonntag für Missbrauchsbetroffene? (externer Link), evangelisch.de, 23.01.2025 ↩︎
  2. vgl. Gibt es bald einen Sonntag für Missbrauchsbetroffene? (externer Link), evangelisch.de, 23.01.2025 ↩︎
Nach oben scrollen