Distanziert sich die Kirche von den ForuM-Studie?

Anfang 2024 wurde die ForuM-Studie vorgestellt. In den Medien machten die Bischöfe und einige Bischöfinnen einen betroffenen Eindruck.

Die Betroffenheit scheint nun langsam abzuklingen und die Grenzen des sagbaren scheinen sich langsam zu verschieben. Versucht die EKD die Deutungshoheit zu erlangen?

EKD-Ratsvorsitzende Kirsten Fehrs äußerte erst kürzlich in einem Interview deutliche Kritik an dem Forscherteam und sprach von „Verständigungproblemen“.1 Fehrs leugnete in dem Interview, dass die EKD mit den Forscherteam vertraglich vereinbart hatte, dass die Datenquelle für den ersten Teilschritt aus einer Stichprobe aller Personalakten der Beschäftigten bestehen sollte.2 Ein Blick in die Zusammenfassung der ForuM-Studie genügt um festzustellen, dass Frau Fehrs es mir der Wahrheit hier ziemlich ungenau nimmt.3

In dem Verkündigungsblatt „Zeitzeichen“, dass gemeinschaftlich von den evangelischen Landeskirchen herausgegeben wird, scheint die EKD nun auch noch das Bedürfnis zu haben, der ForuM-Studie ein negatives Narrativ anhaften zu wollen. Den gleichen Platz hätte man natürlich auch dafür nutzen können die sexualisierte Gewalt in der Kirche aufzuklären; das war scheinbar jedoch nicht so wichtig.

Detlev Pollack, ein Religionssoziologe dessen Abschlussvorlesung bereits hinter ihm liegt4 und sich erst seit Neustem mit dem Thema der sexualisierten Gewalt in der evangelischen Kirche befasst hat, wurde die Möglichkeit gegeben Stimmung gegen die ForuM-Studie zu machen. Es wurde sogar darauf verzichtet den Artikel hinter einer Paywall zu verstecken; bei Zeitzeichen nicht selbstverständlich.

Pollack kritisiert folgt in seinem Artikel Narrativ, dem auch schon Kirsten Fehrs verfallen war; die Kirche habe geliefert was sie hätte liefern sollte. Das Forscherteam regte sich ohne Grund auf.5

Am Ende des Artikels schreibt Pollack: Nach meinen Gesprächen in den Landeskirchen und der Lektüre des Abschlussberichts ergibt sich insgesamt das Bild, dass sich beide Seiten mehr vorgenommen hatten, als sie verwirklichen konnten, dass manche Absprachen unklar blieben und dass sich eine mangelnde Kooperationsbereitschaft der Kirchen und Landeskirchenämter kaum konstatieren lässt. Vielmehr war es offenbar das Zusammenspiel von nicht zu Ende gedachten Vereinbarungen und verwaltungstechnischer Überforderung, das dazu geführt hat, dass es nicht zu einer gründlichen Erfassung der landeskirchlichen Personalakten gekommen ist.6

Wie es sich in der Wissenschaft gehört, stellt der Autor hier seine Untersuchungsmethode dar. Er habe Gespräche in der Landeskirche geführt und die Abschlussbericht gelesen. Diese Untersuchungsmethode es ehemals renommierten Wissenschaftlers Pollack ist ein glänzendes Beispiel dafür, wie Wissenschaft nicht funktioniert – Gespräche führen und eine Studie lesen mag ausreichend um populistisch gegen Forschung zu wettern. Die Anwendung von in der Wissenschaft gängigen Untersuchungsmethoden und das Peer Review lassen sich von solchen Stimmen glücklicherweise nicht beeindrucken.

Es scheint, als wäre das betretene Betroffensein der Führungsriege der EKD vorbei. Wo man sich im Januar noch bestürzt über die „hohe Anzahl“ von Betroffenen kirchlicher sexualisierter Gewalt zeigte, wettert man nun über das Forscherteam und bemängelt, dass eine Diskussion über Zahlen und Akten nur den „echten“ Ergebnissen der Studie im Weg stünde.

Was die Kirche mal wieder vergisst: jeden vergessene Zahl ist ein ein vergessener Betroffener der kirchlichen sexualisierten Gewalt.

  1. vgl. EKD-Missbrauchsstudie: Ratsvorsitzende Fehrs bemängelt „Verständigungsprobleme“ mit Forschungsteam (externer Link), 20.09.2024, DLF ↩︎
  2. vgl. EKD-Missbrauchsstudie: Ratsvorsitzende Fehrs bemängelt „Verständigungsprobleme“ mit Forschungsteam (externer Link), 20.09.2024, DLF: ab Minute 4:40 ↩︎
  3. vgl. Zusammenfassung der Ergebnisse, Schlussfolgerungen und Empfehlungen für Prävention, Intervention und Aufarbeitung, (externer Link), ForuM: S. 18 ↩︎
  4. vgl. Abschiedsvorlesung Prof. Dr. Detlef Pollack (externer Link), Uni Münster ↩︎
  5. vgl. Statistisch nicht seriös. Ein kritischer Rückblick auf die ForuM-Studie und die kirchliche Kommunikation darüber (externer Link), Detlev Pollack, 27.09.2024 in Zeitzeichen ↩︎
  6. Statistisch nicht seriös. Ein kritischer Rückblick auf die ForuM-Studie und die kirchliche Kommunikation darüber (externer Link), Detlev Pollack, 27.09.2024 in Zeitzeichen ↩︎

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