Verfügungen über Verbot der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in der Landeskirche Hannovers

Wir leben in einem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat. Und das ist auch sehr sehr gut so. Ein wichtiger Grundsatz in einem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat ist das Prinzip der Unschuldsvermutung so wie der Grundsatz, im Zweifel zu Gunsten eines Angeklagten entscheiden wird.

Wenn nicht zweifelsfrei nachgewiesen wird, dass ein Beschuldigter strafbare sexualisierter Gewalt ausgeübt hat, wird er nicht verurteilt und gilt weiter als unschuldig und muss keine Konsequenzen befürchten.

Straftaten im Bereich der sexualisierten Gewalt haben es nun mal an sich, dass sie meist in Abwesenheit von Zeugen begangen werden. Für die Betroffenen sexualisierten Gewalt macht es das schwieriger die Straftat zu beweisen. Je länger eine Straftat im Bereich der sexualisierten Gewalt zurück liegt, desto schwieriger wird es diese nachzuweisen. Spätestens mit der Verjährung muss der Beschuldigte keine Strafe mehr befürchten. Für Betroffene sexualisierter Gewalt ist das schwer zu ertragen. In einem Rechtsstaat muss es die Gesellschaft jedoch aushalten, dass Bestrafungen nur dann Möglich sind, wenn sich Strafverfahren und Bestrafung an unsere Rechtsgrundsätze hält.

Ein Fall aus der Landeskirche Hannovers gibt aber zu denken.

Ein Pastor der Landeskirche Hannovers war 2018 von einer Person angezeigt worden. Die Landeskirche Hannovers versuchte darauf hin, den Pastor aus dem Dienst zu entfernen und die Ernennung zu Pastor zurück zu nehmen. Die Kirche scheiterte jedoch. Die geschilderten Handlungen der betroffenen Person waren wohl unstrittig; allerdings konnte nicht nachgewiesen werden, dass die betroffene Person zum Zeitpunkt der Handlung noch minderjährig war.1

2024 gab es erneut Vorwürfe gegen den Pastor. Eine Person, die im Jahr 2004 15 Jahre alt war, hatte dem Pastor eine Tat im Jahr 2004 aus dem Bereich der sexualisierten Gewalt vorgeworfen. Der Pastor soll die damals 15-Jährige auf einer Chorfreizeit in einem Schwimmbecken belästigt haben2. Zum damaligen Zeitpunkt war der Pastor noch nicht Pastor bei der Landeskirche Hannovers sondern war in einer ähnlichen Funktion einer Einrichtung der Diakonie beschäftigt. Die Landeskirche hatte nun erneut versucht den Pastor aus dem Dienst zu entfernen; der Pastor hatte widersprochen. Am 05.11.2024 gab der Rechtshof der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen dem Widerspruch des Pastors statt; er bleibt damit im Amt. Das Gericht hatte keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Bertoffenen Person. Allerding war die Tat laut Gericht als sexuelle Belästigung einzustufen; und diese wäre laut Kirchengericht erst seit 2016 strafbar. Aus diesem Grund gab das Gericht dem Widerspruch des Pastors statt. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftigt und kann noch von der Landeskirche Hannovers angefochten werden. Ein bestehendes Verbot nachdem der Pastor nicht mit Kindern und Jugendlichen arbeiten darf bleibt bestehen.3

Nach den vorliegenden Informationen hat sich der Pastor in beiden Fällen keines strafrechtlich relevanten Verhaltens schuldig gemacht. Daher wohl auch keine Verurteilung und daher scheinbar auch keine Entfernung aus dem Dienst. Im ersten Fall wäre wohl eine Entfernung aus dem Dienst möglich gewesen; allerdings scheinbar nur, wenn wenn die Betroffene hätte nachweisen können, dass die Handlung stattgefunden hatte solange sie noch minderjährig war. Trotzdem darf der Pastor nicht mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.

Das Strafrecht scheint hier an seine Grenzen zu kommen. Allerdings können auch nicht strafbare Handlungen für betroffen Personen traumatische Folgen haben. Das scheint auch die Landeskirche Hannovers so zu sehen; daher wahrscheinlich das Verbot mit Kinder und Jugendlichen zu arbeiten. Die Bewertung des Handelns des Pastors und der Umgang damit kann daher nur auf kirchenmoralischer, kirchenrechtlicher und letztendlich auch etischer Grundlage stattfinden.

Was tut eigentlich ein Pastor, der nicht mit Kindern und Jugendlichen arbeiten darf? Wahrscheinlich wird er keinen Kindergottesdienst leiten und auch keinen Konfirmandenunterricht geben. Doch was ist mit Gottesdiensten? Werden die Kinder an der Kirchentür aussortiert? Was ist mit Beerdigungen? Ist der Friedhof dann für Kinder geschlossen? Was, wenn sich Gemeindemitglieder im seelsorgerischen Gespräch an den Pastor wenden und von Erziehungsproblemen berichten? Bricht der Pastor das Gespräch dann ab? An Weihnachten, ist das Lied „Ihr Kinderlein kommet“ verboten?

Aber noch wichtiger ist die Frage, wie Gemeindemitglieder von einem Menschen, dem die Landeskirche die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen scheinbar nicht zutraut, glaubwürdig Verkündigungsbotschaften empfangen sollen? Oder ist der Gemeinde von dem Arbeitsverbot mit Kindern und Jugendlichen etwas gar nichts bekannt?

Und wer überwacht, ob der Pastor das Arbeitsverbot einhält? Steht immer ein Reservepastor daneben?

Die Kirche hat ein eigenes Kirchenrecht und eine eigene kirchliche Disziplinargerichtsbarkeit. Scheinbar ist das Kirchenrecht so ausgelegt, dass ein Pastor, dem man es nicht zumutet mit Kindern- und Jugendlichen zu arbeiten, nicht aus dem Dienst entfernen kann.

Die Kirche hätte die Möglichkeit gehabt ihr Disziplinarrecht entsprechend zu ändern. Scheinbar hat man dazu jedoch keinen Anlass gesehen. Auch nicht nach 2018, als man das erste mal daran gescheitert war den Pastor aus dem Dienst zu entfernen.

  1. vgl. Landeskirche muss Pastor trotz Missbrauchsverdacht weiter beschäftigen (externer Link), Landeskirche Hannovers, 05.11.2024 ↩︎
  2. vgl. Missbrauchsvorwürfe: Kirchengericht verbietet Entlassung von Pastor (externer Link), NDR, 06.11.2024 ↩︎
  3. vgl. Landeskirche muss Pastor trotz Missbrauchsverdacht weiter beschäftigen (externer Link), Landeskirche Hannovers, 05.11.2024 ↩︎
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