demokratische Betroffenenbeteiligung
Wir fordern, dass ausschließlich die Betroffenen der sexualisierten Gewalt in der EKD dazu berechtigt sind Betroffenenvertretungen innerhalb der EKD oder deren Gliedkirchen zu wählen. Dafür sollen die Personen
- deren Betroffeneneigenschaft durch ein Gerichtsurteil nachgewiesen ist oder
- deren Betroffeneneigenschaft durch eine Anerkennungskommission einer Gliedkirche anerkannt ist oder
- die ihre Betroffeneneigenschaft an Eides statt erklärt haben
in geheimer Wahl ihr Wahlrecht ausüben dürfen.
Weiter fordern wir, dass es für Betroffene neben der Ausübung ihres Wahlrechts oder der Arbeit in einer Betroffenenvertretung niedrigschwellige Beteiligungsformen gibt. Dies können beispielsweise Workshops sein deren Teilnahme nicht an eine kontinuierliche Mitarbeit oder Bewerbung geknüpft ist. Weiter könnten dies Online-Befragungen oder Elemente der Liquid Democracy mit Hilfe von Online-Tools sein.
Betroffene sexualisierter Gewalt bringen ihre eigene spezifische Expertise mit in Aufarbeitungsprozesse. Ihre Stimmen auszugrenzen bedeutet, auf wichtige Perspektiven zu verzichten. Ein Aufarbeitungsprozess ist unvollständig, wenn nicht Betroffene sinnvoll daran beteiligt sind.
Das Beteiligungsforum (BeFo) der EKD ist aus unser Sicht keine geeignete Form der Betroffenenbeteiligung. Wenn die Kirche ein paar Betroffene auswählt und diese in einer Rolle steckt in der sie für alle anderen Betroffenen sprechen sollen, dann ist dann keine angemessene Betroffenenbeteiligung sondern Augenwischerei.
Was wir genau an dem BeFo kritisieren lesen Sie hier.
Warum wir befürchten dass die URAK nicht viel ausrichten können werden lesen Sie hier.
unabhängige und schonungslose Aufarbeitung
Gemäß Artikel 1.1 der gemeinsamen Erklärung (externer Link) über eine unabhängige Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie nach verbindlichen Kriterien und Standards zwischen der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sowie der Diakonie Deutschland vom 13.12.2023, liegt die unabhängige Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Verantwortung der landeskirchlichen und diakonischen Leitungsorgane.
Genau wie VW seinen Abgasskandal nicht alleine aufklären konnte, kann weder die Landeskirche Hannovers noch die EKD ihre Fälle sexualisierter Gewalt alleine aufklären.
Die Initiative fordert eine schonungslose Aufklärung durch unabhängige, externe Fachkräfte. Das können je nach Fall bzw. Tatkomplex Anwaltskanzleien, unabhängige Institute oder Forschende aus Universitäten und Forschungsverbänden sein. Auf eine angemessene, strukturierte Betroffenenbeteiligung in diesen Prozessen ist dabei zu achten. Die Evangelische Kirche in Deutschland mit ihren Diakonischen Werken muss sich verpflichten, auf datenschutzkonforme Weise sämtliche relevanten Dokumente zur Verfügung zu stellen.
Weiter fordert die Initiative, dass die Kirche alle Möglichen des kirchlichen Disziplinarrechts ausschöpft und Täter, Mitwisser und Vertuscher wenn möglich aus dem Dienst entfernt oder auch noch im Ruhestand dienstrechtlich belangt.
angemessene Entschädigung
Bisher leisten die Gliedkirchen der EKD, wie z.B. die Landeskirche Hannovers, an Betroffene sexualisierter Gewalt sogenannte Anerkennungsleistungen. Das geschieht ohne Eingeständnis von Verantwortung der Institution Kirche und nicht mit dem Ziel die Betroffenen angemessen zu entschädigen. Das Verfahren inklusive Antragstellung erscheint Betroffenen oft willkürlich.
Wir fordern, dass die Gliedkirchen der EKD die Betroffenen sexualisierter Gewalt unter Anerkennung des eigenen Versagens angemessen entschädigt. Bei der Höhe der Entschädigung muss sowohl die schwere der Taten als auch die Dauer und Häufigkeit der Taten ebenso wie die Folgen der Taten berücksichtigt werden.
Die Höhe der Zahlungen muss in vielen Fällen endlich aus dem 5-stelligen Bereich herauskommen. Ein weltliches Gericht hat einem katholischen Betroffenen im Juni 2023 eine Summe von 300.000 € zugesprochen1. Die Landeskirche Hessen hat bis 2024 mehrfach deutlich über 100.000 € gezahlt.
Die EKD und die Landeskirchen betonen immer wieder, dass sie als Reaktion auf die ForuM-Studie die Zahlungen der Landeskirchen und Diakonie vereinheitlichen wollen. Tatsächlich kritisiert die ForuM-Studie u.a. die unterschiedlichen Praktiken zwischen den Gliedkirchen. Vereinheitlichung an sich ist kein Qualitätskriterium. Denn wenn alle nur wenige und willkürliche Zahlungen erhalten, gibt es zwar Einheitlichkeit, aber noch lange nicht den Ansatz von Gerechtigkeit. Wir brauchen Standards, die sowohl das Verfahren wie auch die Höhe der Zahlungen nachvollziehbar regeln.
Mit der geplanten Vereinheitlichung ab 2025 wird in Hessen dann wieder deutlich weniger gezahlt.
Über die Entschädigung muss eine externe von der EKD und ihren Gliedkirchen vollkommen unabhängige Kommission entscheiden. Das Verfahren der Entschädigung muss dabei transparent und nach klaren Regeln ablaufen. Die Höhe der Entschädigungsleistungen müssen ebenfalls nachvollziehbar anhand öffentlich einsehbarer Kriterien festgestellt werden. Betroffene müssen einen Widerspruchsmöglichkeit haben; im Widerspruchsverfahren muss ein andere Kommission entscheiden.
Diese Widerspruchsmöglichkeit gibt es bereits in den Verfahren bei der katholischen Kirche, bei der Deutschen Bischofskonferenz. Auch werden dort mittlerweile zumindest in einigen Fällen deutlich höhere Summen gezahlt.
Einrichtung unabhängiger Fachstellen
Die sogenannten Fachstellen der Gliedkirchen der EKD sollen als Ansprechpartnerinnen für Betroffene sexualisierter Gewalt dienen. Da die Fachstellen samt Personal jedoch Teil der Landeskirchenämter sind, können die sogenannten Fachstellen gegenüber den Betroffenen nicht unabhängig sein. Viele Betroffene haben bisher die Erfahrung gemacht, dass die sogenannte Fachstellen vollkommen überfordert ist. Mails werden häufig nur teilweise oder gar nicht oder nur auch mehrfache Nachfrage beantwortet. Der Umgang wird von vielen Betroffenen als wenig empathisch, inkompetent und unfreundlich erlebt.
Wir fordern daher die Zerschlagung der sogenannten Fachstellen und deren Aufspaltung in zwei Teile.
Innerhalb der Gliedkirchen soll ein internes und weisungsgebundenes Referat für die Koordination der innerkirchlichen Arbeit rund um das Thema sexuelle Gewalt zuständig sein. Dazu würde beispielsweise die Erstellung von Präventions- und Schutzkonzepten und die Bearbeitung von Fällen sexueller Gewalt innerhalb des Kollegiums gehören.
Der andere Teil sollte in externe Fachberatungsstellen für kirchliche sexualisierte Gewalt umgewandelt werden an den sich Betroffene vertrauensvoll wenden können und dort unabhängig und kompetent beraten werden. Die Dienstleistungen dieser Fachberatungsstelle müssen durch einen externen Anbieter mit kirchenexternem Personal erbracht werden. Die Verbindung zwischen der unabhängigen Fachstellen und der Landeskirche darf lediglich darin liegen, dass die unabhängige Fachstelle von der Landeskirche finanziert wird. Vollständig im Interesse der Betroffenen beraten geht nur, wenn möglicherweise auch gegen die Interessen der Kirche beraten wird.
Kontakt zwischen der internen- und externen Fachstelle würde es regelmäßig geben. Wenn ein Betroffener sexualisierter Gewalt beispielsweise einen Akteneinsicht wünscht, dann würde die externe Fachberatungsstelle diese Akten zur Einsicht bei der internen Fachstelle bestellen. Aus datenschutzrechtlichen Gründen würde die Akteneinsicht dann ggf. im Landeskirchenamt erfolgen. Die externe Fachberatungsstelle würde den Betroffenen dabei vertrauensvoll begleiten; das interne Referat würde sicherstellen, dass die Akte ordnungsgemäß benutzt werden.
Einrichtung einer Ombudsstelle
Die Gliedkirchen und die EKD sich zwar in staatsartiger Struktur mit eigenen Gesetzen organisiert; eine kircheneigene Gerichtsbarkeit für die Belange von Betroffenen sexualisierter Gewalt, die mit einer rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit vergleichbar ist, gibt es jedoch nicht.
Damit die Betroffenen nicht hilflos der kirchlichen Willkür ausgesetzt sein müssen sollte es, wie auch in der ForuM-Studie empfohlen2, eine durch die EKD finanzierte Ombudsstelle geben, an die sich die Betroffenen im Konfliktfall wenden können. Die Ombudsstelle könnte durch Betroffenen zu Beratung und Klärung so wie zur Durchsetzung der Belange der Betroffenen gegenüber den Gliedkirchen der EKD mandatiert werden. Durch eine Ombudsstelle könnte sichergestellt werden, dass die Betroffenen aller Gliedkirchen gleichermaßen zu ihrem Recht kommen.
Die Ombudsstelle, die gemäß des 12-Masnahmenplans von der EKD geplant ist, wird leider nur eine beratende Funktion anstelle einer durchsetzenden Funktion haben.
- vgl. 300.000 Euro für Kölner Missbrauchsopfer (externer Link), ZDF, 13.06.2023 ↩︎
- vgl. Zusammenfassung ForuM;-Studie (externer Link), S. 34 ↩︎